Wie allgemein bekannt, hat das Kölner Landgericht erstmals die religiös motivierte Beschneidung der Vorhaut bei Kindern für strafbar erklärt. Gemäss der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 26. Juni 2012 wurde dies damit begründet, dass diese in das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf religiöse Selbstbestimmung eingreife.

 

Vorausgegangen war der ganzen Sache eine islamische Beschneidung eines 4 Jahre alten Jungen durch einen muslimischen Arzt, die am 4. November 2010 auf Wunsch der Eltern vorgenommen wurde. Aufgrund von Nachblutungen, die bei Beschneidungen oft vorkommen können, brachten die Eltern ihr Kind in die Kindernotaufnahme der Universitätsklinik Köln, wo das Problem medizisch rasch gelöst werden konnte. Doch nach einem Hinweis an die Staatsanwaltschaft wurde die Angelegenheit zur Strafsache, die mit erwähntem Urteil des Landgerichts Köln zu Ende gegangen ist. 

Gemäss der FAZ sprach das Gericht den Arzt zwar frei, doch zugleich kam das Landgericht zu dem Schluss, dass die Beschneidung Minderjähriger aus religiösen Gründen verboten ist. Weder die elterliche Einwilligung noch die Religionsfreiheit rechtfertigen den Eingriff. Ärzte, die Beschneidungen vornehmen, machen sich nach dem Urteil des Kölner Landgerichts strafbar.


Natürlich liess die Reaktion von Seiten der Juden und Muslime nicht lange auf sich warten. So übte z.B. der Präsident des Zentralrats der Juden, Graumann, scharfe Kritik an dem Urteil des Landgerichts Köln und bezeichnete es als «beispielloser und dramatischer Eingriff» in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften (siehe dazu den Artikel in der FAZ vom 26. Juni 2012). Und am 27. Juni 2012 publizierte der Zemtralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) eine Stellungnahme, in der das Urteil ebenfalls klar und unmissverständlich kritisiert wird. Ausserdem erschien auf islam.de ein lesenswerter Beitrag des Arztes Nadeem Elyas, der auf die Notwendigkeit der Knabenbeschneidung im religiösen Kontext hinweist.


Es dauerte nicht lange, bis auch die Schweizer Medien das Thema aufgriffen, zumal dies wohl gerade ideal in das angebrochene Sommerloch passte. In vorauseilendem Gehorsam entschloss sich das Unispital Zürich am 5. Juli 2012 sogar für ein Moratorium, das aber Anfang August wieder aufgehoben wurde (siehe dazu TA online-Artikel vom 11. August 2012).

Gemäss einer Meldung von TA online vom 8. August 2012 hat eine Einzelperson sogar eine Anzeige gegen das Kinderspital Zürich eingereicht, in der sie den Ärzten der Klinik vorwirft, sich der Körperverletzung schuldig gemacht zu haben, weil medizinisch nicht notwendige Beschneidungen durchgeführt wurden.

Auch hier liess die Reaktion von Juden und Muslimen nicht lange auf sich warten:

  • Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) veröffentlichte am 20. Juli 2012 ein klare und unmissverständliche Stellungnahme, in der die rituelle Beschneidung von Knaben, Brit Mila, als ein wesentliches und unabdingbares Element der jüdischen Religion beschrieben wird.
  • Die VIOZ hatte bereits am 28. Juni 2010 zu diesem Thema eine Stellungnahme publiziert, in der auf die jahrtausendealte Tradition in den Religionen verwiesen wird. Auch in der Tagesschau auf SF1 und auf Tele Top äusserte sich die VIOZ entsprechend (siehe hier entsprechende Medienlinks auf vioz.ch).
  • In ähnlicher Weise liess sich auch der VAM auf Tele M1 vom 20. Juli 2012 vernehmen. Dabei verwies ein VAM-Vertetreter darauf, dass die Beschneidung zum Judentum und Islam gehöre, wie die Taufe zum Christentum.

 

Es bleibt nun abzuwarten, wie sich die ganze Sache weiter entwickelt. Die Hoffnung besteht aber, dass die Vernunft wieder in die Diskussion Einzug hält, und eine akzeptable Lösung für alle Seiten gefunden werden kann.