Mehrere muslimische Dachorganisationen haben eine kritische Stellungnahme verfasst und unterschrieben. Nachfolgend ein Abdruck der soeben verschickten gemeinsamen Erklärung.

 

Erziehungsdirektion des Kantons Bern
Generalsekretariat
Sulgeneckstrasse 70
3005 Bern

Zürich, 3. Dezember 2007

Leitfaden zum Umgang mit kulturellen und religiösen Symbolen und Traditionen in Schule und Ausbildung

Sehr geehrte Damen und Herren

Einige Punkte in diesem Leitfaden geben uns sehr zu denken. Allen voran die Kopftuchfrage. Einmal mehr wird uns unterstellt, das Kopftuch hätte keinen religiös-sakralen Hintergrund, anders wie z.B. die Kippa der Juden oder die Ordenstracht einer Nonne im Christentum.

In welcher Weise der Westen den Schleier (Kopftuch)  assoziiert ist eine subjektive, einseitige Betrachtungsweise. Der ständig an den Islam erhobene Vorwurf, politische Ansprüche zu erheben, ist nicht haltbar und endlich zu verwerfen. Jede Religion erhebt Anspruch, das gesellschaftliche Verhalten zu beeinflussen und in ihrem Sinne mitzubestimmen. Oder baut die schweizerische Bundesverfassung etwa nicht auf christlich-religiöser Basis auf? Beginnt sie nicht mit den Worten: Im Namen Gottes?

Wieder einmal wird unter konfessioneller Neutralität verstanden, zu bestimmen, welche Symbole für die Religionsgemeinschaft der Muslime – wohlgemerkt nur für eine, bestimmte Religion – kultischen Charakter haben und welche nicht. Alle anderen Religionen können selbst bestimmen, welche Symbole sie für ihren Kult als relevant erachten. Das widerspricht klar dem staatlichen konfessionellen Neutralitätsgrundsatz und entspricht viel eher dem Vorgehen staatlicher Diskriminierung. Eine Entscheidung, die wir Muslime so nicht akzeptieren können.

Es ist befremdend, dass eine nicht-islamische, nicht-religiöse Institution sich darüber zu entscheiden erlaubt, wann das Kopftuch der Frau einen kultischen Charakter besitzt und wann nicht. Die Formulierung in Ihrem Leitfaden „meist keinen kultischen Charakter“  ist aus islamischer Sicht als ein Willkürakt und ein unzulässiger Eingriff in das Verständnis des Islam der islamischen Religionsgemeinschaften zu werten. Das Kopftuch ist in jeder islamischen Gemeinde in der Welt anzutreffen und dies seit über 1400 Jahren. Da wir diese Fehlinterpretation des Kopftuches in Ihrem Leitfaden nicht zur Unwissenheit zählen können, ist uns der eigentliche Zweck schleierhaft.

Zudem suggeriert die Formulierung „Das Tragen des islamischen Kopftuches oder Schleiers ist jedoch nicht unhinterfragt mit dem politischen Islam gleichzusetzen“ schon etwas Falsches, nämlich dass das Kopftuch doch mit dem „politischen Islam“ zu tun hat.

Sonderbar ist auch der Hinweis, dass in muslimischen Ländern Frauen das Kopftuch ausziehen, wenn es aus Gründen der Hygiene oder der Sicherheit nötig sei. Ist es auch hier in der Schweiz nicht  üblich, dass eine Kopfbedeckung aus Gründen der Hygiene angezogen wird (z.B. Krankenschwestern, Küchen- oder Reinigungspersonal, in Labors, in der Lebensmittelindustrie, in den medizinischen Operationssälen usw.)? Ebenso ist aus Sicherheitsgründen mancherorts ein Kopftuch bei langen Haaren eher zu empfehlen als davon abzuraten…

Auch wenn dieser Leitfaden als gesamtes einen Versuch darstellt, den es zu würdigen gilt, ist er in seinen Kernaussagen über den Islam für uns Muslime unhaltbar. Einmal mehr haben wir das Gefühl, es wird über uns geschrieben, ohne zu hinterfragen oder das Gespräch mit uns zu suchen.

Die unterzeichnenden islamischen Dachverbände bitten Sie, die Passagen über das Kopftuch im Islam zu korrigieren. Falls gewünscht, würden unsere Verbände Sie gerne dabei unterstützen.

Mit freundlichen Grüssen
Laila Oulouda

VIOZ Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich
UMMA Der islamische Kantonalverband Bern
BMK Die Basler Muslim Kommission
KIOS Koordination der Islamischen Organisationen in der Schweiz
FIDS Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz