Das «National Coalition Building Institute» (NCBI) hat u.a. in Zusammenarbeit mit engagierten Musliminnen und Muslimen das Buch «Muslimische Kinder in der Schweiz» herausgebracht. Es richtet sich in erster Linie an Personen, die in der und für die Schule tätig sind: Lehrpersonen, Schulleitungen, Behörden etc. Anlässlich einer Vernissage mit Podiumsdiskussion wurde das Werk am 16. November 2005 an der Pädagogischen Hochschule Zürich einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt.

 

 

— von Hamit Duran, Turgi —

Buchrezension NCBI BuchdeckelDie NCBI Schweiz ist ein gemeinnütziger, parteipolitisch und konfessionell neutraler Verein, der sich für den Abbau von Vorurteilen und für konstruktive Konfliktlösung einsetzt. Anlässlich seines 10-jährigen Bestehens setzt sich NCBI Schweiz im Jahr 2005 verstärkt ein, um Vorurteile und Ängste gegenüber Musliminnen und Muslime abzubauen.
Die Spannungsfelder, in denen sich muslimische Kinder, Jugendliche und ihre Familien in der Schule immer wieder bewegen, sind hinlänglich bekannt: interreligiöse oder interkulturelle Konflikte, Teilnahme am Schwimmunterricht, Klassenlager, Weihnachtsfeiern, Tragen von Kopftüchern etc. Auf der anderen Seite sind aber auch Lehrpersonen und Schulbehörden gefordert. Um letztere zu unterstützen, veröffentlichte NCBI Schweiz nun das Buch «Muslimische Kinder in der Schule: As-salamu alaikum – Informationen, Praxistipps und Ideen für den Unterricht».

Im Buch finden sich neben einer allgemeinen Einführung in den Islam sowie einer Beschreibung der Situation der Muslime in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich (unter anderem vom Autor dieses Artikels) auch Berichte muslimischer und nichtmuslimischer Kinder, Jugendlicher und Erwachsener über ihre Erlebnisse. Dies ermöglicht einen Einblick in persönliche Erfahrungen aus verschiedenen Perspektiven.
Des weiteren bietet das Buch Empfehlungen und praktische Tipps, leicht umsetzbare Unterrichtshilfen zu den Themen Vorurteile, Diskriminierung, Islam und andere Religionen etc., sowie ein Nachschlagewerk für herausfordernde Situationen. Abgerundet wird es durch ein Vorwort von Dr. rer. pol. Farhad Afshar, Präsident der KIOS (Koordination Islamischer Organisationen Schweiz) und eine ausführliche Adress- und Literaturliste.
Im Rahmen einer Vernissage mit Podiumsdiskussion wurde das Werk am 16. November 2005 an der Pädagogischen Hochschule Zürich einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Durch die sehr gut besuchte Veranstaltung führten Nina Hössli, Herausgeberin, und Ron Halbright, Präsident der NCBI Schweiz.

Buchrezension NCBI Nina HoessliRon Halbright stellte seine Institution kurz vor. Diese sieht sich, wie der englische Name besagt, als Brückenbauer, der sich um den Abbau von Vorurteilen, Diskriminierung und Rassismus  bemüht. Nach einer kurzen Vorstellung der wesentlichen Inhalte des Buches, nahmen im Rahmen eines Podiums vier Personen mit unterschiedlichen Hintergrund Stellung zu verschiedenen Aspekten. Rachida Bouchousch, muslimische Studentin der Biologie an der Uni Zürich, berichtete über positive und negative Erfahrungen mit ihrem Kopftuch. Am eindrücklichsten war, als sie mit bewegten Worten schilderte, dass sie meisten ihrer Primar- und Sekundarschullehrer es nicht in Betracht zogen, dass sie ihr Kopftuch freiwillig tragen könnte… Es wurde a priori davon ausgegangen, dass sie dazu gezwungen wird. Niemandem kam es auch nur in den Sinn, sie selbst dazu zu befragen… Ein wahrlich sehr erniedrigendes Erlebnis.

Frau Susanne Boser, Schulleiterin des Schulhauses Steingut in Schaffhausen, berichtete über die enge Zusammenarbeit ihrer Schule mit muslimischen Schülerinnen und Schülern und deren Eltern. Im Rahmen von gezielten Mütterkursen werden ausländische Mütter aktiv in das Schulgeschehen mit einbezogen. Einzig die Weigerung einer muslimischen Familie, ihr Kind in ein Klassenlager zu schicken, war eine negative Erfahrung, über die sie zu berichten wusste. Auch intensive Gespräche mit interkulturellen Mediatoren konnten die Familie nicht überzeugen, so dass das Kind schliesslich vom Klassenlager dispensiert wurde.

Markus Truniger, Mitarbeiter der Bildungsdirektion des Kantons Zürich erzählte von der konstruktiven Zusammenarbeit mit der VIOZ bei der Überarbeitung der Richtlinien «Muslimische Schüler/innen an der Volksschule» und «Muslimische Schüler/innen in Klassenlagern» (herunterzuladen unter: www.volksschulamt.zh.ch). Schwierig sind oft die speziellen Dispensationswünsche, z.B. wenn christliche Geschichten während der Weihnachtszeit in der Schule behandelt werden.

Schliesslich sprach Mahir Mustafa, Projektverantwortlicher «Interkulturelle Weiterbildung» bei der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi, über seine positiven und negativen Erfahrungen mit kopftuchtragenden Mädchen. Eine Muslimin erhielt eine Lehrstelle als Krankenpflegerin erst, als sie sich ohne ihr Kopftuch bewarb. Heute trägt sie es wieder und ist voll akzeptiert und respektiert. Er kennt aber auch einen Vater, der behauptete, im Qur’an stünde, dass seine Tochter nicht ins Klassenlager dürfe. In Gesprächen stellte sich heraus, dass es ganz andere Gründen waren, die ihn zu dieser Aussage veranlassten.

Buchrezension NCBI PodiumDie Podiumsteilnehmer waren sich darin einig, dass man sich über den Islam informieren und vor allem mit einander sprechen sollte. Im Anschluss an die erste Podiumsrunde wurde in kleineren Gruppen über die Thematik diskutiert und weitere Fragen an die Podiumsteilnehmer formuliert, wobei auch dieses Mal das Thema Kopftuch nicht ausgelassen werden konnte… Interessant waren die Ausführungen von Frau Boser in Bezug auf die Frage, wie die Mütter muslimischer Kinder besser für die Lehrer-Eltern-Arbeit engagiert werden können. Mütterkurse und direktes Ansprechen, auch der Väter, stehen dabei in ihrer Schule im Vordergrund. Kulturvermittler, die von der Stadt Schaffhausen kostenlos gestellt werden, stehen dabei helfend zur Verfügung. Interessant auch die Frage an Mahir Mustafi, wieweit man seine eigene Identität leugnen soll, um ein Ziel zu erreichen, z.B die Zusage für eine Lehrstelle, die man mit Kopftuch nicht erhalten würde. Dies ist jedermann/frau selbst überlassen.
In der Zwischenzeit werden auch viele Kurse für werdende und bereits ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer an den verschiedenen Pädagogischen Hochschulen  angeboten. Der Begriff “Islamophobie” scheint nach Ansicht von Raschida Bouchouch die Problematik gut zu beschreiben, besser jedenfalls als der Begriff “Islamismus”. Zu der Frage nach einer Medienarbeit, die hilft, das negative Bild des Islam in den Medien zu korrigieren oder positiv zu beeinflussen, konnte leider keiner der Teilnehmer brauchbare Ansätze liefern.

Der anschliessende Apéro bot dann die Gelegenheit, das eine oder andere Thema noch im kleinen Kreis vertieft zu erörtern. Alles in allem war es eine gelungene Veranstaltung, die zweifelsohne positive Impulse für die Zukunft liefern konnte.

Nina Hössli, Muslimische Kinder in der Schule – As-salamu alaikum, Informationen, Praxistipps und Ideen für den Unterricht, NCBI Schweiz, 2005, K2-Verlag, ISBN 3-03722-004-X, 150 Seiten A5, CHF 25.–

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