In der AZ-Ausgabe vom 5. Mai 2010 schreibt Matthias Küng:

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Mit dem Ruf nach einem nationalen Burka -Verbot schafft es der Aargauer Grosse Rat in die nationalen Schlagzeilen. Nicht etwa, weil dieser Ruf exotisch wäre. Sondern weil den Menschen das Thema unter den Nägeln brennt. Und weil der Aargau als erster Kanton ein nationales Burka -Verbot verlangt. Auch in Bern und Solothurn sind entsprechende Vorstösse unterwegs. Diese werden die Debatte im Parlament in Bern befördern.

Dabei spielt es keine Rolle, ob eine, zehn oder tausend Frauen in der Schweiz eine Burka tragen. Bei Grundsatzfragen geht es nicht um die Zahl. Es geht um richtig oder falsch. Und es gilt, die lange erkämpfte Gleichberechtigung von Mann und Frau durchzusetzen. Eine Burka ist der wohl bildhafteste Ausdruck der Unterdrückung der Frau.

Eine aufgeklärte Gesellschaft darf nicht erlauben, dass Frauen in wandelnden Gefängnissen herumlaufen müssen (oder in ihrer Wohnung eingesperrt werden). Dies würde auch allen Anstrengungen zur Integration von Ausländern diametral zuwiderlaufen.

Der Aargauer Vorstoss wird aber nicht bei der Burka stehen bleiben. Der Kanton wird ein nationales Vermummungsverbot verlangen. Dieses bezieht sich selbstredend auf Burka-Trägerinnen wie auf vermummte Demonstranten.

Eine Willensnation wie die Schweiz ist für ihr Funktionieren noch mehr als andere Demokratien darauf angewiesen, dass man von Angesicht zu Angesicht offen miteinander reden kann. Mit Vermummten geht das nicht. Ein Vermummungsverbot ist deshalb die richtige Antwort.

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Zum Glück denken nicht alle so wie  Küng von der AZ. In der NZZ vom 5. Mai 2010 schreibt Niklaus Nuspliger unter dem Titel «Schleierhaftes Burkaproblem», dass die Gründe für das geforderte Verbot schleierhaft bleiben und dass wer die Burka mit dem Verweis auf die Würde der Frau gänzlich verbannen will, auch das Argument zulassen müsste, aufreizende Outfits jugendlicher Partygängerinnen seien mit der Würde der Frau nicht vereinbar. Das sichtbare Bekenntnis zum eigenen Lebensentwurf im öffentlichen Raum sei äusserliches Merkmal des liberalen Staats.

Lesen sie hier den vollständigen Kommentar.

Auch Amnesty International hat sich mit einer Pressemitteilung, in der sie sich zum Burkaverbot äussert, zu Wort gemeldet. Ein generelles Verbot beschneide die freie Meinungsäusserung sowie die Religionsausübung von Frauen, die freiwillig einen Schleier oder eine Burka tragen.
Lesen Sie hier die Pressemitteilung.

All dies beeindruckt anscheinend die Hardliner im Aargau nicht im Geringsten. So wurde bekannt, dass der Aargauer SD-Grossrat René Kunz nun auch ein Burkini-Verbot fordert. Lesen Sie hier die Meldung auf AZ online. Kunz versteigert sich in die Behauptung, dass Burkinis nichts mit dem Islam zu tun hätten. Wow! Das Aargauer Parlament verfügt nun sogar über einen Islamexperten!

Wir möchten an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass z.B. der Verband Aargauer Muslime im Anschluss an die Minarettabstimmung sein Gesprächsangebot bekräftigt hat, um mit allen interessierten Kreisen die vorhandenen Probleme ernsthaft zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu suchen. Bis jetzt sind weder Politik noch Parteien im Aargau auf dieses Angebot eingegangen. Die Gründe dafür bleiben schleierhaft. Oder doch nicht? Es wird immer offensichlicher dass es bei dieser Symbolpolitik nicht um die Rechte der Frau oder dergleichen, sondern vor allem um den Kampf gegen die Muslime in der Schweiz geht, genau so wie wir es nach der Minarettabstimmung vermutet haben.