Die Zürcher Ombudsfrau Claudia Kaufmann plädiert für pragmatische Lösungen und für eine Interessenabwägung. Dies berichtete die NZZ in ihrer Ausgabe vom 30. April 2014:

 

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Die Religionsfreiheit ist ein Grundrecht, das in der Schweiz gleich mehrfach und auf höchster Gesetzesstufe garantiert wird. Sogar im Personalrecht der Stadt Zürich findet die Religionsfreiheit eine explizite Erwähnung, indem eine Personalpolitik verlangt wird, die (unter anderem) eine Diskriminierung aufgrund der Religion verhindert.

Auf der Basis der gesetzlichen Grundlagen und anhand diverser, auch internationaler Gerichtsentscheide prüfte die Ombudsfrau der Stadt Zürich, Claudia Kaufmann, das Anliegen eines städtischen Angestellten. Dieser arbeitet seit über zehn Jahren im Vollzeitpensum in einer Rechtsabteilung der Stadtverwaltung und konnte bis anhin problemlos am gemeinsamen Freitagsgebet in der Moschee teilnehmen, indem er die verlorene Arbeitszeit jeweils am Abend nachholte. Die Situation änderte sich jedoch, als in seiner Abteilung die Blockarbeitszeit eingeführt wurde und er von den Vorgesetzten beschieden bekam, die Blockzeiten seien auch von ihm strikte einzuhalten. Den Vorschlag, sein Arbeitspensum zu reduzieren oder unbezahlte Ferientage zu beziehen, lehnte der Angestellte ab, weil er keine Lohneinbussen in Kauf nehmen wollte und konnte.

 

Individuelle Lösung

Der Mann schaltete die Stadtzürcher Ombudsstelle ein, und dank deren Vermittlung konnte folgende Lösung gefunden werden: Die Abteilung verfasst eine individuelle Blockzeit-Regelung für den Angestellten, die an den Freitagnachmittagen erweitert wird. Die Regelung wird im Team kommuniziert – und scheint sich zu bewähren, so das Fazit von Claudia Kaufmann an ihrer heurigen Jahresmedienkonferenz vom Dienstag. Die Ombudsfrau hält an diesem Beispiel fest, dass es sich lohne, einzelfallgerechte, pragmatische Lösungen anzustreben und von voreilig ausgesprochenen, allgemeinen Verboten oder rigiden Grundsätzen abzusehen. Bei der Interessenabwägung im Fall des Freitagsgebets berücksichtigte sie die Interessen des Arbeitgebers nach Gleichbehandlung aller Angestellten, Zuverlässigkeit der Dienststelle, die weltanschauliche Neutralität des Staates sowie die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Diesen Interessen steht die Religionsfreiheit des Muslims gegenüber, der seinen Glauben immerhin zehn Jahre lang praktizieren durfte, ohne dass es zu Problemen am Arbeitsplatz gekommen wäre.

Mit Fragestellungen bezüglich Religion und Arbeitsplatz wird die Ombudsstelle häufig konfrontiert; immer wieder geht es dabei auch um die Frage, ob am Arbeitsplatz religiöse Symbole oder ein Kopftuch getragen werden dürfen. Zu den Dauerbrennern bei den Verfahren vor der städtischen Ombudsstelle gehören zudem die Handlungen der sozialen Dienste oder der Polizei. Was Letzteres betrifft, hat die Ombudsfrau beispielsweise einen sehr enttäuschten und frustrierten tschechischen Anwalt besänftigen müssen, der in einem Zürcher Hotel unangenehme Erfahrungen machte: mit den Hotelangestellten, die ihm trotz Buchung und Vorauszahlung das Zimmer nicht zur Verfügung stellen wollten, weil das Haus überbucht war, und mit den vor Ort gerufenen Polizisten, die ihn wie einen Kriminellen behandelt hätten.

 

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Es ist wahrlich eine positive Sache, dass für einmal der Pragmatismus die Oberhand behält. Der Verfasser dieser Zeilen, der, wie bereits berichtet, vor ein paar Wochen in die USA ausgewandert ist, hat das grosse Glück, bei einem Arbeitgeber angestellt zu sein, der sehr offen mit gelebter Religiosität umgeht. So gibt es in jedem grösseren Gebäude einen sogenanntene «Serenity Room», z.T. mit der Möglichkeit für die Gebetswaschung, der für Gebete während der Arbeitszeit genutzt werden kann. Gerade letzte Woche gab es in der besagten Firma eine Veranstaltung unter dem Titel «Lifting the curtain on Religion», bei der sich verschiedene Religionen (in diesem Falle Judentum, Christentum, Islam und Hinduismus), vorstellen und die Zuhörer anschliessend mitdiskutieren konnten. Dies fördert den gegenseitigen Respekt und trägt dazu bei, Vorurteile und Missverständnisse, die es natürlich auch in den USA gibt, abzubauen.